Christian, Tansania

Schon zu Beginn meines Lehramtsstudiums für Sport und Geschichte hatte ich mir vorgenommen, Lehrerfahrung im fremdsprachigen Ausland zu sammeln. Es gibt eine Vielzahl verschiedener Gründe, warum sich ein Auslandsaufenthalt lohnt. Sowohl für mich, als angehender Gymnasiallehrer, als auch für jeden anderen sind derartige Erfahrungen unersetzlich. Schließlich habe ich mich für drei Monate aktiv aus meiner gewohnten Umgebung, meiner Komfortzone, hinausgewagt, um ein konkretes Unterrichtsprojekt zu erproben und aufzubauen. Dazu habe ich in Dar es Salaam unterrichtet. (…)

Zur Vorbereitung nahm ich mir etwa drei Monate Zeit. Den Organisationsaufwand hätte ich geringer eingeschätzt. Mein Studium, gerade zur Klausurphase, habe ich dadurch etwas vernachlässigt… (…)

 

Leben in Tansania

Tansania ist immer noch eines der ärmsten Länder der Welt und ist dementsprechend keineswegs mit dem europäischen Standard vergleichbar. Die Aufmerksamkeit der Tansanier und die Schönheit des Landes lassen über den ein oder anderen kritischen Moment hinwegblicken.

Ob Wohlstand glücklich macht – darüber ließe sich lange philosophieren. Die Bewohner in den Ballungszentren wissen, dass ihre Lebensbedingungen nicht sonderlich gut sind. Zugang zu Internet und Fernsehen wird immer verbreiteter, wodurch den Einheimischen der optische Vergleich mit anderen Kontinenten vor Augen geführt wird. Das Bedürfnis, Lebensumstände zu verbessern, Dinge anders zu machen und andere Wege zu gehen ist groß. Auch politische Debatten, die in Europa geführt werden, verfehlen ihre bedrückende Wirkung in Tansania nicht, da sie in den Medien omnipräsent sind. (…)

Abgesehen vom Kilimanjaro und der Big Five Animals sind Tansanier stolz auf ihre kulturelle Vielfalt. Abseits der urbanisierten Ballungszentren in Küstengebieten ist die Diversität der Kulturen unvorstellbar. So gibt es nahe Arusha Volksstämme, die über Klicksprache kommunizieren. In abgelegeneren Gebieten des weitläufigen Landes greift weder das demokratische Staatsystem, noch gibt es Strom-, Wasserversorgung, Krankenhäuser, Industrieprodukte, Konsumgüter, einheitliche Sprachen oder Schulen. Entfernungen werden in Fuß- oder Tagesmärschen beziffert. Eigene Religionen und Traditionen bestimmen die Lebensweisen. Die kulturelle Vielfalt zeigt sich auch im Handwerk, in der Kunst, ästhetischen Tänzen und lebensvollen Gesängen. Einige Kulturen nehmen sich nicht als Tansanier wahr. (…)

Wörtlich übersetzt bedeutet der Name der Stadt Dar es Salaam, Haus des Friedens. Interessant ist, dass Muslime, Christen, Hindus und andere Religionen so friedlich und beispielhaft zusammenleben, wie wahrscheinlich kaum woanders auf dieser Welt.

Auch in meiner Gastfamilie war ich trotz unterschiedlicher Religion herzlich Willkommen (Karibu Sana). Meine kleine Gastschwester hatte zunächst Angst vor mir, weil sie jemanden wie mich noch nie zuvor gesehen hatte – es dauerte einige Zeit, bis wir Freunde wurden. Für mich war es bereichernd, in einer Gastfamilie zu leben, da ich dadurch einen echten Einblick in das Zusammenleben, Sorgen, Familienstrukturen oder gar Hierarchien, Tagesabläufe, Herausforderungen und
Feierlichkeiten einer Familie in Tansania gewonnen habe. Wie in jeder ganz normalen Familie können Konflikte entstehen.

Mein Praktikum

Die Heterogenität von Schulen in Tansania ist immens. Der Staat Tansania verfügt nicht über die finanziellen Ressourcen, um das Bildungssystem angemessen zu unterstützen. Zwar gibt es Bildungseinrichtungen, die sehr gut ausgestattet sind, diese sind jedoch Kindern von Diplomaten bzw. der Elite vorbehalten. Mit der allgemeinen Gesellschaft haben diese wenig zu tun und grenzen den Lebens- und Bildungsraum auch optisch durch hohe Mauern, darüber hinaus bewaffnetem Sicherheitspersonal, ab. Die meisten, sowohl staatlichen als auch die privat geführten Schulen sind aufgrund finanzieller Engpässe gering ausgestattet.

Ich habe mich dazu entschieden an einer Schule zu praktizieren, die die Lebenswirklichkeit in Tansania wiederspiegelt. Als Lehrender musste man mit wenig Lehrmaterial auskommen und dahingehend flexibel sein. In der Schule, in der ich arbeitete, äußerten sich die finanziellen Engpässe durch Klassengrößen von 60 Personen, Unterrichtsmaterialien, Schlafgebäude als auch der Strom-, Wasser- und Lebensmittelversorgung. Studierte Lehrkörper gingen ihrer Lehrtätigkeit aufgrund der Engpässe unentgeltlich nach. Die meisten hatten sich damit arrangiert, zwei gesicherte Malzeiten und einen Schlafplatz zur Verfügung gestellt zu bekommen. Als Gastgeschenk für verschiedene Schulen und für meine Schule habe ich einige hundert Kugelschreiber, die ich auf Nachfrage kostenfrei von Unternehmen bekam, mitgebracht. Es war interessant zu sehen, wie motiviert und kreativ gerade die jungen Lehrerkollegen trotz fehlender Lehrmaterialien den Unterricht leiten.

Als ich das erste Mal den Unterrichtsraum betrat, war es eine merklich besondere Atmosphäre. Die Schülerinnen und Schüler musterten jede nur kleinste Regung von mir mit neugierigen aber vorsichtigen Blicken. Ich gab ihnen einen Moment, um mich zu beobachten. Das Eis brach in dem Moment, als ich mir das Grinsen nicht verkneifen konnte und wir daraufhin ins Lachen übergingen. Dann erst stellte ich mich vor.

Zusammenfassend möchte ich sagen, dass es eine Bereicherung für mich war, nach Tansania zu gehen. Ich konnte außergewöhnliche Eindrücke und lehrreiche Erfahrungen in einer ausgesprochen intensiven Zeit sammeln. Imponiert haben mir der respektvolle Umgang und die offenen tiefgreifenden Gespräche im Lehrerzimmer, mit Schülerinnen und Schülern, meinen Wegbegleitern und Freunden. Der Ideenaustausch hat bei allen Beteiligten Eindruck hinterlassen.