Thomas, Bosnien-Herzegowina

Für mich war klar, dass ich ein paar Wochen oder Monate auf dem Balkan leben muss, um diese komplexe Region mit ihren vielen Nationalitäten und Nationalismen zu verstehen. Daher war die Möglichkeit, ein Praktikum am United World College in Bosnien-Herzegowina zu machen, eine prima Gelegenheit. Bosnien ist seit dem Ende des Bosnienkriegs ein Staat unter Aufsicht und Finanzierung der internationalen Gemeinschaft. Der Krieg und die spezifische Nachkriegsordnung haben die ethnische Spaltung zwischen Muslimen, Serben und Kroaten allgegenwärtig gemacht. Besonders gilt das für das Bildungssystem: Kinder und Jugendliche werden nicht zu bosnischen Staatsbürgern, sondern zu Angehörigen ihrer jeweiligen Ethnie erzogen. Durch die Segregation der Schulen haben sie oft keine Freunde, die einer anderen Ethnie angehören. Als Sinnbild der Spaltung gilt die Stadt Mostar: Sie ist spätestens seit dem Krieg in einen kroatischen West- und einen bosniakischen Ostteil gespalten. Die meisten Bürger gehen nie auf „die andere Seite“. Bewusst in dieser Stadt haben die United World Colleges eine internationale Schule gegründet. Sie ist ein Pionierprojekt, die beweisen möchte, dass junge Bosnier gemeinsam statt in Abgrenzung voneinander, gemäß kosmopolitischer statt nationalistischer Werte und Lehrpläne erzogen werden können, inmitten von Mitschülern aus allen Kontinenten.

Neben vielen lehrreichen, beeindruckenden Gesprächen mit den aufgeschlossenen Einwohnern von Mostar, seien sie Bosniaken, Kroaten oder Ausländer, hat mir das Praktikum einen Einblick in ein ganz anderes Schulsystem gegeben. Das International Baccalaureate, nach dem die United World Colleges unterrichten, ist ein globales, zweijähriges Abiturprogramm, das den verantwortungsbewussten Weltbürger von morgen heranbilden soll. Weil es nicht einem einheitlichen Welt-Lehrplan folgt (was soll da auch drinstehen?), lässt es Lehrern und Schülern viele Freiheiten und Wahlmöglichkeiten. Jeder Unterricht ist daher inhaltlich und methodisch ganz anders, und das nicht nur zwischen Mostar und Hongkong, sondern auch zwischen zwei Geschichts-Kursen innerhalb des UWC. Bildungsziele, Fächer, Benotung, Schülerschaft – fast alles ist anders, als man es aus einer deutschen staatlichen Schule kennt. Manches fand ich besser, manches schlechter, aber ich habe gesehen, dass vieles, was für mich einfach zu Schule dazugehörte, nicht alternativlos ist.

Wenn ihr also die Gelegenheit habt, dann schaut euch mal eine IB-Schule an – und bereist Bosnien und den Balkan. Am UWC mit seinem kleinen, offenen Kollegium könnt ihr beides tun.